Die dreiundzwanzig Kilometer Monster Etappe – und der Tag nach dem Drama.

Sounds Te Araroa Neuseeland

Um sechs schlage ich das erste mal todmüde die Augen auf. Ich kann nicht einmal ansatzweise behaupten, dass eine erholsame Nacht hinter mir liegt. Mehrere Male bin ich aufgewacht weil eines der folgenden Szenarien zugetroffen hat:

1. Ich bin von meiner Isomatte runtergerollt.

Das ist übrigens ein echtes Problem. Sobald man nämlich erst mal heruntergefallen ist, rutscht die Matte zur Seite weg an die Zeltwand. Ich kann mich also nicht einfach wieder „draufrollen“. Ich muss mich aufsetzten, die Isomatte richten und mich dann behutsam wieder drauflegen. Ihr müsst jetzt aber keine Angst haben und denken euch könnte es auch bald so gehen. Es liegt an der Beschaffenheit der Ultraleichtmatte, ihre Oberfläche ist einfach zu glatt.

2.Ein Weka ist im Zelt und knabbert an unseren Rucksäcken auf der Suche nach Futter.

3.Sarah dreht sich im Zelt um.

Klingt witzig? Ist es auch. Wir wissen nicht genau warum, denn sie hat die gleiche Isomatte wie wir auch. Aber wenn Sarah sich nachts bewegt knallt und knarzt ihre Matte. 😀

4.Undefinierbare Geräusche aus dem Urwald.

5.Es ist unbequem. 😀

Als Kissenersatz nutzen wir unsere Klamottensäcke, klingt zwar bequem ist es aber nicht. Die sind nämlich verglichen mit einem Kissen echt hart.

Wir entscheiden uns also noch etwas weiterzuschlafen. Als wir gegen acht aufstehen ist die einzige Frau, die mit uns die Nacht auf der Campsite verbracht hat gerade am gehen. Jetzt fühle ich mich schlecht. Ich weiß doch eigentlich, dass uns heute eine 23,5 km lange Etappe bevorsteht. Noch dazu können wir nicht mal ansatzweise abschätzen, wie lange wir für eine solche Etappe brauchen werden.

Schnell machen wir Porridge und fangen an unsere Sachen zusammenzupacken. Der Porridge schmeckt wirklich.. naja.. eklig. Ich esse ihn trotzdem und bilde mir ein, dass ich mich an den Geschmack von Haferflocken, Chias und Wasser schon gewöhnen würde.

Nach weiteren zwei Stunden Dingen rollen, stopfen, packen, suchen, finden und wieder suchen geht es endlich los.

Hochmotiviert marschieren wir los, genießen das Wetter und die Sicht. Der Weg schlängelt sich durch den Urwald und nur ab und zu lichten sich die Bäume und man hat Einblick in den Queen Charlotte Sound. Jedesmal wieder fragen wir uns warum das Wasser denn hier verdammt nochmal so blau ist?

Schritt für Schritt geht es weiter und mit dummen Witzen über dieses und jenes lenken wir uns von der Tatsache ab, dass es verdammt nochmal scheiße hart ist. Entschuldigt bitte den Ausdruck aber genau so ist es. Seit wir losgelaufen sind geht es nur bergauf, es ist 10 Uhr morgens und bereits 25 Grad heiß, der Schweiß läuft uns in Strömen das Gesicht hinunter und nach 15 Minuten sind unsere T-Shirts nur noch nasse Waschlappen. Und es geht weiter, viel weiter. Aber wir beißen uns durch. Sarah packt ihre Musikbox aus (ja ihre Musikbox, mein absolutes Highlight und Stimmungsaufheller! Wasserdicht und mit einem Karabiner für den Rucksack versehen ist sie übrigens auch.) und lässt vergessen, dass die Schultern und Hüften vom Rucksackgewicht schmerzen.

Einige Zeit später habe ich mir meine erste Blase gelaufen. Und es tut verdammt nochmal weh. Beine Ferse werden komplett zugetaped um weitere Blasenbildung zu vermeiden aber die Druckstellen schmerzen bei jedem Schritt. Sarah ist bereits vorgelaufen. Plötzlich hören wir Rufe. Wir laufen schneller und treffen Sarah wieder. Sie ist über einen Stein gestolpert, konnte aufgrund des Rucksacks das Gleichgewicht nicht halten und ist der Länge nach hingefallen. Trotzdem ist alles nochmal gut ausgegangen, außer einem rotem

Knie und einer Hautabschürfung am Kopf sieht man wenige Minuten schon nichts mehr. Trotzdem ist die Stimmung jetzt gedrückt. Jeder stellt sich die Frage wie das mit uns. Ich meine, heute ist unser erster wirklich längerer Wandertag und wenn ich ehrlich bin sieht es nicht gerade so aus als würden wir darauf vorbereitet sein auf das was noch kommen wird.

Aber keiner hat gesagt, dass es leicht wird.

Also geht es weiter. Ich klebe noch ein paar meiner Blasen ab, Micha versucht uns weiter aufzuheitern und der Weg geht weiter bergauf, bergab, bergauf.

Jeder von uns ist am Limit. Inzwischen laufen wir nicht mehr gemeinsam, jeder läuft sein Tempo. Sarah ist weit vor uns, seit Micha mir geholfen hat meine Füße zu flicken. Für jeden von uns geht es nicht mehr um das Genießen, nur noch um das Ankommen. Alle zehn Minuten ein Blick auf die Uhr, immer halte ich Ausschau nach dem nächsten Wegweiser der mir verrät wie viele Kilometer ich noch laufen muss.

Schild Te Araroa Neuseeland Fernwanderung

Es kommt mir wie eine Ewigkeit vor. Dann sehen wir das Schild. 1,5 km.

Und plötzlich bringen wir alle unsere letzten Kräfte noch einmal zu Höchstleistungen und legen schon fast einen Schlusssprint zum Campingplatz hin.

Endlich angekommen!

Rucksack absetzen. Schuhe ausziehen. Hinsetzen.

Was für ein Tag!

Aussicht Te Araroa Neuseeland

Es ist 16:30. Nach sechseinhalb Stunden sind wir am Ziel. Wenn wir das jetzt so rückwirkend betrachten, klingen 6:30h ja eigentlich nicht so viel. Aber halt nur eigentlich. Letztendlich sind wir stolz auf uns, dass wir es geschafft haben, dass wir durchgehalten haben und nicht einfach schon eher unser Zelt aufgeschlagen haben.

Und es hat sich gelohnt, denn unser heutiger Schlafplatz befindet sich auf einem schönen DOC Campingplatz (Camp Bay Campsite) in einer Bucht. Um uns herum „native bush“, ein echter Urwald.

In dem Moment komme ich auf den Gedanken wie viel schöner Wandern eventuell wäre, wenn man sich nach einem langen Tag in eine Hängematte am Stand schmeißen würde und für den Rest des Abends die Beine hoch legen könnte. Für uns sieht es nämlich anders aus: nach einem kurzem Waschgang in der Bucht, geht es weiter. Zelt aufbauen, Wäsche waschen, Essen kochen, Rucksack umräumen, Isomatte und Schlafsack vorbereiten, Stümpfe lüften.

Dank Micha stand das Zelt mit Schlafsack und Isomatte trotzdem ganz schnell vorbereitet da, ich hatte nämlich mal wieder nur das Essen im Kopf. 😀

Und weil ich vor lauter Erschöpfung nicht ganz bei der Sache war, hat ein Weka die Situation genutzt und sich mit meinem getrocknetem Obst im Schnabel blitzschnell Richtung Dickicht aufgemacht. –> Weka die zweite!! Die gute Nachricht ist, ich habe mein Essen wieder bekommen!

Danach sind wir alle in unsere Schlafsäcke gekrabbelt und wollten schlafen. Aber irgendwie hat das dann trotz all der Müdigkeit doch nicht so richtig geklappt. Außerdem gab es bei unseren Zeltnachbarn auch noch frisch gebratenen Fisch. Also haben wir uns zu guter Letzt doch noch zusammengesetzt und haben über diesen wundervoll missglückten Tag und vor allem über uns selber gelacht. Ich sage nur so viel: es war sehr witzig!

Nächster Morgen, selbes Spiel. Wir sind wieder die letzten im Camp. Als wir uns um acht aus unseren Zelten schälen, packen alle anderen gerade ihre letzten Sachen zusammen.

Ich fange an mir darüber Gedanken zu machen ob es nicht durchaus eine schlaue Überlegung wäre es Ihnen gleich zu tun. Schon jetzt ist es warm genug, um beim wandern ohne Probleme ins Schwitzen zu kommen. Ich will gar nicht wissen wie es nachher aussieht wenn wir aufbrechen.

Micha und ich haben ein kleines Experiment gestartet. Die Herausforderung soll sein heute weniger als zwei Stunden vom aufstehen bis zum loslaufen zu brauchen. Wir müssen also schneller als gestern sein. Und zuerst unsere Sachen im Zelt zusammenräumen. Erst danach gibt es essen, wodurch man motivierter seine Sachen zusammenpackt, so zumindest die These. Naja ich brauche ja eigentlich nichts sagen, aber wir waren sogar noch langsamer.

Was letztendlich aber nicht an der Reihenfolge des Packens lag, sondern daran, dass wir uns mit einer DOC Rangerin verquatscht haben. Sie hat uns dann auch darauf hingewiesen, dass die nächsten zwei Campsites momentan ohne Wasser laufen, da es seit Wochen dort nicht geregnet hat. Wir haben also zwei Optionen:

1. genug Wasser für 2 1/2 Tage dabei haben und zum ersten Campingplatz laufen

2. Eine zweite 22km Monsteretappe laufen

Wir füllen also alle unsere Flaschen nochmal voll und los gehts. Sollte am ersten Campingplatz genug Wasser für das Kochen und auffüllen zur Verfügung stehen werden wir dort bleiben, ansonsten laufen wir weiter.

Meine Füße werden es mir danken…

Ein kurzer Blick auf das Profil der heutigen Tagesetappe lässt schlimmes vermuten. Zwei Sättel müssen wir passieren, auf dem dritten liegt der erste Campingplatz. Aber das lässt außer auf schwitzige Shirts auch auf grandiose Ausblicke schließen!

Und beides bewahrheitet sich, der erste Punkt sogar schon nach wenigen Minuten. 😀

Miri Te Araroa Fernwanderung Neuseeland

Trotz alle dessen geht verglichen mit dem letzten Tag, die Zeit heute im Flug vorbei. Wir fliegen schon fast von einem zum nächsten Aussichtspunkt.

Und dann sind wir an der ersten Campsite. Wir schmeißen unsere Rucksäcke auf bereitstehende Bank (inklusive verdammt schöner Aussicht), bewundern den kleinen „shelter“, eine kleine, offene Überdachung, und werfen dann zuerst einen Blick auf den Wasserstand. Fast halb voll! Wir sind so glücklich. Hier ist es einfach perfekt.

Buchten Te Araroa

Der Nachmittag vergeht wie im Flug. In der einen Ecke liegt Sarah auf ihrem ausgebreiteten Poncho und genießt die Sonne, Micha liegt weiter vorne im Gras und entspannt. Genau das haben wir gebraucht nach der letzten Tour. Hierfür lohnt sich jede Anstrengung. Später liege ich mit Sarah auf dem Poncho und während ich es endlich schaffe den eBook Reader in die Hand zu nehmen (ich hatte nämlich schon ein schlechtes Gewissen weil ich ihn bisher nur mit mir herumbuckele aber nicht nutze) läuft im Hintergrund ein Hörbuch der wilden Hühner.

Lange bleibt dass aber so nicht, denn kurze Zeit später kommt eine wandernde Familie, welche auch über Nacht bleiben wird. Ab nun sind wir also nicht mehr die einzigen auf dem Campingplatz. Als wir ins Gespräch miteinander kommen stellt sich heraus, dass sie auch, genau wie wir, vor zwei Tagen begonnen haben den Te Araroa auf der Südinsel zu laufen. Als ganze Familie! Wir sind alle total interessiert und kurzerhand in ein Gespräch vertieft, sodass wir erst ziemlich spät mitbekommen, dass der Himmel von schwarzen Wolken überzogen ist.

Shelter Te Araroa Neuseeland Fernwanderung

Micha rennt noch schnell los um unser Zelt vor dem aufkommenden Wind zu sichern, und schon fängt es an zu regnen. Obwohl das eigentlich eine Untertreibung der Lage ist. Es stürmt, schüttet und dann fängt es auch noch an zu Gewittern. Wir verkriechen uns schnell in den kleinen „shelter“, aber nicht bevor wir unsere Schlafsäcke und alle Habseligkeiten wieder aus den Zelten zurück in den shelter gebracht haben. Wer weiß wie schlimm das noch wird. Zum Glück befinden wir uns aber in netter Gesellschaft – die eben angekommene Familie tut es uns nämlich gleich und wir beobachten gemeinsam das Spektakel. Schon längst ist das Tal um den Queen Charlotte Track nicht mehr zu sehen und Gewitterwolke um Gewitterwolke zieht vorbei. Eben haben wir noch entspannt in der Sonne gelegen, jetzt sitzen wir in unseren dicken Daunenjacken und Regenbekleidung zu acht in dem kleinen Shelter. Als das Donnergrollen direkt über uns ist, bin ich dann etwas beunruhigt. Man kann sich ja schon schöneres vorstellen als bei Gewitter ausgerechnet auf dem Gipfel eines Berges zu sein. 😀

Aber schon nach kurzer Zeit muss ich gar nicht mehr daran denken, was aber vor allem daran liegt, dass wir mit den drei Kindern der Familie aus Auckland Pläne über einen Wekaabwehrmechanismus schmieden. Größten Respekt an die drei übrigens, dass sie die gleichen mühseligen Strecken gelaufen sind wir wir, und ohne sich auch nur einmal zu beschweren.

Nur der Regen wollte und wollte nicht aufhören und selbst in der Nacht prasselte der Regen noch auf unsere zwei Zelte. Belohnt wurden wir aber trotzdem mit einem wunderschönen, über dem Tal schwebenden Regenbogen!

Regenbogen Fernwanderung Te Araroa

P.S Unsere Zelte haben den Regen / Wind – Test übrigens erfolgreich bestanden und ab nun können wir sorglos schlafen, auch wenn es mal wieder schütten sollte wie ein Wasserfall. 😀

Über diesen Link gelangt ihr zur nächsten Etappe! 

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